Kunst im öffentlichen Raum

Mit der denkbar knappen Entscheidung
von acht zu sieben Stimmen votierte der Rat für die Anschaffung des
Kunstwerkes von Jürgen Goertz. Gute 2,5 Stunden nahm sich der Rat
Zeit für die projektierte „Kunst im öffentlichen Raum“ vor dem
Rathaus. Der Künstler Jürgen Goertz stellte dem Rat und den Saal
sprengenden gut fünf Dutzend Zuhörern seinen Entwurf im Modell und
anhand Skizzen vor. 190 000 € soll die Skulptur "Racing 2013" kosten plus 14 000 € je "Zuschauer" zzgl. MwSt.
Den von Andrea Winkler eingereichten
Geschäftsordnungsantrag, die Beschlußfassung über die Anschaffung
des Kunstwerkes auf die nächste Ratssitzung zu vertagen, damit das
Thema ausreichend in der Öffentlichkeit diskutiert werden könne,
wurde erwartungsgemäß mit dem aus der nichtöffentlichen Sitzung
bekannt gewordenen Stimmenverhältnis von 8:7 abgelehnt.
Bürgermeister Peter Werler skizzierte
zu Beginn der Sitzung den bisherigen Ablauf. Er habe sieben Künstler
aus der Region angeschrieben, von denen sechs Interesse gezeigt
hätten und Dokumentationen ihres Schaffens eingesandt hätten.
Einige Künstler hätten sich mit der Situation vor Ort vertraut
gemacht und intensive Gespräche mit ihm geführt. Mit Herrn Goertz
habe er das Sales & Racing Festival besucht.
In nichtöffentlicher Sitzung im
November habe er die eingesandten Präsentationen den Räten
vorgestellt. Nichtöffentlich deshalb, um die Künstler nicht „zu
verheizen“. Einhellig habe das Gremium befürwortet, zunächst
das Atelier von Herrn Goertz zu besuchen. Elf der Gemeinderäte
hätten am 23. Februar das Atelier des Künstlers besucht und seien
von dem vorgestellten Entwurf restlos begeistert gewesen. In der
nichtöffenlichen Gemeinderatsitzung vom 25.Februar sei die Mehrheit
der Räte der Meinung gewesen, sie könne sich „nichts anderes mehr
vorstellen“.
Er selbst sei von der rasanten
Entwicklung der Dinge überrascht worden. Er wolle die Öffentlichkeit
nicht ausschließen, sondern „Open End“ diskutieren.

Die Vorstellung seines Entwurfs leiteteJürgen Goertz mit einem Abriß über die Leiden des Künstlers, wenn
über sein Kunstwerk öffentlich diskutiert wird, ein. Er habe schon
zahlreiche Pferdeplastiken in verschiedenen Orten geschaffen. Kein
Ort sei dafür so geschaffen wie Iffezheim, den Pferde weit über die
Landesgrenzen hinaus bekannt gemacht hätten.
Sein Motiv, das Verhältnis zwischen
Pferd und Reiter, habe er auf wenige Elemente reduziert, die dennoch
die Dynamik des Rennsports wiedergeben. Die Evolution der
Geschwindigkeit ergebe sich aus dem Gegensatz zwischen Amonit und
Pferd. Aus einem herausgebrochenen Stück des Amonits habe er den,
wie im Windkanal, tief über den Pferdehals gebeugten Jockey geformt.
Die Mischung abstrahierter und gegenständlicher Formen
erzeuge durch ihre Dynamik eine Impression von Rennen. Für die
Außenhaut habe er das neuzeitliche Material Aluminium gewählt, das
er poliert, patiniert und mattiert verwende. Teile der Skulptur seien
aus poliertem Edelstahl. Blaue, gelbe und grüne LED-Lichter liesen
das Kunstwerk von innen heraus leuchten und gäben ihm eine magische
Wirkung. Mit 2,5 auf 3 Meter sei es für den Rathausplatz gut
proportioniert.
Der leicht ansteigende Sockel, auf dem
der Amonit steht, symbolisiere die Anstrengung von Pferd und Reiter
vor dem Ziel. Die insgesamt 13 Meter lange Bodenstrecke nehme das
Motiv der Bebänderung des Straßenbelages auf.

Was sei eine Rennbahn ohne die Zuschauer? Daher schwebe ihm vor, so Goertz, das Rathaus zur Zuschauertribüne umzuwandeln und zwischen den Erd- und Obergeschoß trennenden Simsen in stilisierten Hufeisen zuschauende, behütete Köpfe zu installieren, um die Kunst rund ums Rathaus abzurunden.
Die Pfosten und Fahnenmasten indeß störten den Künstler, da diese den Blick auf sein Werk verstellten. Sein Kunstwerk überaus günstig, so Goertz, da er es der kleinen Gemeinde ermöglichen wolle, sich dieses Werk anzuschaffen. Junge, günstigere Künstler müßten erst beweisen, daß sie was können. Die Gemeinde könne sich nichts Peinliches leisten. Es gehöre Courage und Stärke dazu, sich öffentlicher Kritik zu stellen, so Goertz, was er im Folgenden jedoch gleich wieder relativierte, als er Außenstehenden das nötige Fachwissen absprach. „Profitum dürfe nicht durch Laientum bestimmt werden“.
Anton Schniertsauer lobte den Entwurf als „eindrucksvolles Ergebnis für das, wofür Pferd in Iffezheim steht“. Ohne Rennsport sei Iffezheim ein Dorf unter Tausenden. Selbst wenn die Rennbahn nicht mehr wäre, hätte man eine Erinnerung an die Dorfgeschichte. So wie alle freiwilligen Leistungen könne man auch die Anschaffung dieses Kunstwerks in Frage stellen. Er stelle diese nicht in Frage.
Andrea Winkler stellte das Kunstwerk nicht in Frage, lehnte dessen Anschaffung jedoch ab, da es über Schulden finanziert werden müsse. 55 000 für den Brunnen seien genug. Bürgermeister Werler widersprach dieser Darstellung: das Kunstwerk werde allein aus Eigenmittel finanziert.
Jürgen Heitz wandte sich gegen der Vorwurf der Geheimniskrämerei. Was wäre anders geworden, wenn die Pläne öffentlich ausgehängt worden seien? Er stimme aus Kostengründen nicht zu.
Bertold Leuchtner unterstrich erneut seine Ansicht, daß die Ortskernsanierung genügend gestalterische Elemente biete, so daß kein weiteres Kunstwerk notwendig sei. Im Übrigen unterhöhle der geplante Standort einem Kernpunkt der Planung: das alte Rathaus als Solitär hervorzuheben. Es brauche keinen weiteren Blickfang, kein neues Identität stiftendes Objekt. Ein Werk dieser Größenordnung sei unangemessen.
Joachim Huber hingegen zeigte sich von dem Werk begeistert und unterstrich, daß sich Iffezheim ein Bild geben müsse, das nach außen strahle. Auch Meingold Merkel war entschieden für das Kunstwerk, das die über 150-jährige Verbundenheit mit dem Rennsport symbolisiere. Es sei eine Investition in die Zukunft. Manfred Weber stieß ins gleiche Horn: Um wieviel ärmer wäre die Welt, wenn immer der Zweck die Mittel heilige. Um die Last der Gemeinde zu veringern schlug er einen Bürgerfond zur Spendensammlung vor. Waltraud Godbarsen befand das Objekt passend für Iffezheim. Es erfordere Mut, die Entscheidung für das Kunstwerk zu treffen.
Auch Stefan Schneider zeigte sich von dem Kunstwerk begeistert, fand dessen finanzielle Dimension jedoch zwei, drei Nummern zu groß. Für Karlheinz Schäfer war klar: „Das ist es, es geht nicht anders“. Das Kunstwerk werde in den nächsten hundert Jahren Synonym für Iffezheim sein.
Harald Schäfer erinnerte daran, daß sich Iffezheim nicht auf das Pferd reduziere, sondern mehr zu bieten hätte. Mit dem Brunnen und den zahlreichen, für das Rathaus angeschafften Gemälde, habe die Gemeinde ihr Soll in Bezug Kunst am Bau erfüllt. Die Gemeinde müsse sich auf ihre Pflichtaufgaben konzentrieren. Diese Forderungen zog sich durch alle Stellungnahmen der Gegner, in denen sie auf die vielen anstehenden Investitionen im Dorf hinweisen. Mit der gleichen Häufigkeit verwiesen die Befürworte auf die freiwilligen Leistungen für die Vereine, Eltern und den Bürger allgemein.
Hans-Jörg Oesterle lobte die Streitkultur des Rates, der trotz aller Emotionalität des Disputs den anderen nicht verletze. Er stellte sich hinter das Kunstwerk und die Idee des Bürgerfonds.
Gemäß §33.4 Gemeindeordnung wurden im Anschluß die Bürger angehört. Susanne Schäfer und Regina Oesterle zeigten sich von Goertzes Werk begeistert. Martin Schäfer und Hans-Jürgen Eckardt kritisierten die mangelnde Beteiligung der Öffentlichkeit und die Eile der Entscheidung. Egon Brenner verwies darauf, daß man sich nur anschaffen könne, was man sich auch leisten könne und kritisierte, daß Goertz den Kritikern den Sachverstand abgesprochen habe.
Hans-Jörg Oesterle, Meingold Merkel, Joachim Huber, Waltraud Godbarsen, Peter Werler, Karlheinz Schäfer, Anton Schniertsauer und Manfred Weber stimmten für die Anschaffung des Werkes. Thomas Kronimus, Andrea Winkler, Stefan Schneider, Harald Schäfer, Jürgen Heitz, Hubert Schneider und Bertold Leuchtner votierten dagegen.
Welch ein Schauspiel! Der Iffezheimer
Gemeinderat gab das Stück „Sternstunden der Demokratie“. Leider
geriet die Aufführung etwas steif, da die Akteure ihre Texte kaum
beherrschten und vom Blatt ablesen mussten. Spannung
wollte an diesem Abend nicht aufkommen, war doch der Schluß des
Stückes aus der nicht öffentlichen Generalprobe bekannt geworden.
Einzig der mit der Attitüde des alten
Meisters agierende Künstler sorgte für fassungsloses Erstaunen,
wenn er der ihn alimentierenden Öffentlichkeit polemisierend
jegliches Kunstverständnis absprach und sich jegliche Bevormundung
des Profis durch die Laien verbat.
Junge Stümper hätten sich erst vom
Kerzenständerentwurf aus hochzudienen, bevor sie es überhaupt
wagen dürften, an ein Ortsbild prägendes Kunstwerk zu denken. Nur
er und seines Gleichen besäßen die für solch eine Aufgabe
notwendige künstlerische Reife, war seinen Einlassungen zu
entnehmen.
Die zahlreich vertretene Öffentlichkeit
hielt sich vornehm zurück, war doch zu Beginn der Aufführung
bereits klar, daß der Zug bereits ins Gleis eingefahren war. Hierzu
waren die Weichen bereits sehr früh gestellt worden: Im Sommer
parlierte der Rathauschef mit den angeschriebenen Künstlern, im
Oktober war man mit Herrn Goertz auf dem Rennen, im November legte
man die Unterlagen im verschwiegenen Kreise den Räten vor, im
Februar wurden den Räten gnädigst die heiligen Hallen des Künstlers
geöffnet, der lange genug im Geschäft, die Räte zu beeindrucken
wußte. Ohne öffentlichen Diskurs erkor sich die Mehrheit des Rates
das Gesehene alternativlos zum Favoriten und für den Bürger war der
Zug abgefahren.
Einen Zug, den zu steuern es sehr viel
Mut bedürfe, wie die Heizer auf dem Führerstand prahlten. Jenen
Mut, der in der Vergangenheit einzigartige Kunstwerke hervorgebracht
habe. Kein Wort davon, dass weder ein Fürstbischof, noch ein
Sonnenkönig, je einen Kreutzer oder Sous zur eignen Prachtentfaltung
ihrer Privatschatulle entnommen hatten. Statt dessen wurde dem
ausgebluteten Volk empfohlen, sich mit Kuchen den knurrenden Magen zu
füllen, als das Geld für das Brot nicht mehr reichten wollte.
Nach dem langen Diskurs um die Kunst im öffentlichen Raum, wurde im Einvernehmen mit den Fraktionsvorsitzenden die Haushaltsdebatte von der Tagesordnung abgesetzt.
Unisono stimmte der Rat dem beabsichtigten Planänderungsverfahren der Wasser- und Schifffahrtsdirektion Südwest zu. Als beabsichtige Änderungen sind die Erhöhung des Lockstromvolumens und die konstruktive Änderungen am Eingang 2 sowie einzelner Becken. Zusätzlich soll am Eingang 3 eine Leitwand errichtet werden.
Ebenso einhellig wurden die Aufträge für die Erweiterung der Haupt- und Realschule vergeben. Die Trockenbauarbeiten für die Wände und die Innenputzarbeiten gingen für 16 553, 79 € respektive 45 450,27 € an die Iffezheimer Firma Leuchtner. Den Zuschlag für die Estricharbeiten erhielt die Rheinmünster Firma Falk Estrich zu 48 000, 72 €. Der Architekt Manfred Merkel berichtete, daß aktuell 98 % der Rohbauarbeiten fertig gestellt seien. Die Fensterelemente seien zu 95 % eingebaut. Bei zahlreichen Ausschreibungen werde auf die Rückläufer gewartet. Insgesamt lägen die Arbeiten gut im Plan, schätzte Merkel den Bauablauf ein.
Den Tagesordnungspunkt „Verschiedenes“ nutzte Gemeinderat Karlheinz Schäfer (SPD) zur Kritik. Es sei eine „Dreckspatzigkeit“ Internas aus nicht öffentlichen Sitzungen nach Außen zu tragen. Weiterhin kritisierte er den am Wochenende erschienen Kommentar im „Badischen Tagblatt“ als unzulässige Verquickung von privaten und politischen Themen unter dem „Deckmantel der Satire und Pressefreiheit“. Er fände es unerhöhrt, was passiert sei.
Anton Schniertsauer regte an, bei der anstehenden Bepflanzung der Kreisel etwas mehr Kreativität walten zu lassen.
Auf Nachfrage von Hubert Schneider (CDU) nach der künftigen Schulart der Haupt- und Realschule, berichtete Bürgermeister Peter Werler, daß mit dem Angebot einer 10ten Klasse für der Hauptschulzug die Haupt- und Realschule automatisch zur Werkrealschule geworden sei. Über die von der Gemeinde angestrebte teil gebundene Ganztagsschule sei immer noch nicht entschieden. Der bekannte Wunsch der Gemeinde seien zwei Regelzüge und ein Ganztagszug für die Realschule.
Harald Schäfer (SPD) bemängelte bereits lose Pflastersteine an der Einmündung der Rennbahnstraße. Weitere Mängel deckte aus den Reihen der Bürgerschaft Klaus Freye auf, der berichtete, daß für die Einfassungen der Pfosten und Masten auf den Gehwegen der sanierten Hauptstraße zum Teil großzügig Löcher in den Belag gebrochen worden seien, in denen sich Unrat ansammle. Peter Werler bedankte sich für die Hinweise. Die von Freye angesprochenen Risse in den Natursteinplatten des Behinderten gerechten Aufganges zum Rathaus seien Gegenstand von Gutachten, berichtete der Verwaltungsleiter. Johannes Godbarsen hakte nach, was es mit dem von Bertold Leuchtner in der Diskussion um die Kunst im öffentlichen Raum angeführten Investitionsstau beim Denkmal an der Goldbrücke auf sich habe. Leuchtner beschrieb, daß durch die starke Beschattung das Denkmal feucht sei und verwittere. Der Bauauschuß habe bei seiner letzten Besichtigung keine Notwendigkeit zum eingreifen gesehen, erläuterte Werler. Dem angebotenen privaten Engagement Godbarsens, das Denkmal zu reinigen, stehe nichts im Wege.
Zuhörer Karl-Heinz Kraft kritisierte die Räte, die Chance verpasst zu haben, in künftigen Sitzungen ebenso viele interessierte Zuhörer zu haben,da sie der Öffentlichkeit keine Gelegenheit gegeben hätten, das Thema „Kunst im öffentlichen Raum“ auszudiskutieren. Statt dessen sei der Rat nach der öffentlichen Vorstellung des Entwurfes zur Abstimmung geschritten.
|