Neunauge ist Fisch des Jahres
Peter Nohmert
Neunaugen, deren Entwicklung rund 400
bis 500 Millionen Jahren zurückreicht, gehören zur ältesten, noch
lebenden Wirbeltierklasse der Erdgeschichte. Streng genommen zählen
sie nicht zu den „Fischen“, sondern zu den so genannten
Rundmäulern. Aufgrund von Schutzmaßnahmen haben sich die
Neunaugenbestände in unseren heimischen Gewässern in den
vergangenen Jahren allmählich erholt. Mit der Wahl zum Fisch des
Jahres soll aber auch darauf hingewiesen werden, dass weitere
Anstrengungen unternommen werden müssen, um den Fortbestand der
einzelnen Arten zu sichern.

In Deutschland gibt es vier
Neunaugenarten: Bach- und Flussneunauge, Ukrainisches Neunauge sowie
das Meerneunauge. Statt des gewöhnlichen Fischmauls mit Ober- und
Unterkiefer haben alle Arten einen kreisförmigen, innen bezahnten
Saugmund auf der unteren Seite des Kopfes. Der Körper ist aalförmig
und hat keine Schuppen. Die deutsche Bezeichnung Neunauge ist sehr
alt und entstand durch ungenaue Beobachtung Die eigentlichen Augen,
die nur einfach vorhandene Nasenöffnung und die sieben, seitlich
gelegenen Kiemenöffnungen erwecken bei flüchtigem Betrachten den
Eindruck, das Tier hätte neun Augen auf jeder Körperseite.
Alle
Neunaugen laichen im Süßwasser ab und kommen dort zur Welt. Während
die Bachneunaugen das ganze Leben im Süßwasser verbringen, handelt
es sich beim Fluss- und Meerneunauge um Wanderarten. Direkt nach der
Umwandlung zum erwachsenen Tier wandern sie ab in die
Brackwasserregionen oder ins Meer. Dort ernähren sie sich
parasitisch, indem sie sich an Fischen festsaugen und mit ihrem
Zungenkopf die Haut aufraspeln. Dabei nehmen sie Blut und Gewebeteile
auf. Z. T. bohren sie sich sogar bis in die Körperhöhle des Opfers
vor. Im Gegensatz dazu nehmen Bachneunaugen im erwachsenen Zustand
keine Nahrung mehr zu sich und werden somit auch nicht als
Fischschädlinge auffällig. Mit dem Erreichen der Geschlechtsreife
erlischt bei allen Arten die Nahrungsaufnahme.
Zur
Fortpflanzung steigen Fluss- und Meerneunaugen oft mehrere hundert
Kilometer in die Flüsse zu ihren Laichgebieten auf (sog.
Lang-Distanz Wanderer). Im Frühling bilden sich Laichgesellschaften,
die unter aktiven Paarungsspielen Laichgruben ausheben, indem sie mit
Hilfe des Saugmaules Steine aufsammeln und entfernen. Nach dem
Laichakt sterben die Neunaugen an Entkräftung.
Die
geschlüpften blinden Larven, Querder genannt, vergraben sich im Sand
oder Schlamm. Der Kopf bleibt frei und filtert feine Nahrungspartikel
wie Kleinlebewesen oder Pflanzenteilchen aus dem Wasser. Das
Larvenstadium ist die längste Phase im Leben der Neunaugen. Es
dauert mindestens fünf Jahre. Anschließend vollziehen die Tiere
einen erstaunlichen Gestaltwandel vom Larven- zum
Erwachsenenstadium.
Im 19. Jahrhundert waren Neunaugen in
unseren heimischen Gewässern noch sehr häufig und weit verbreitet.
Sie wurden durch die Fischerei genutzt und waren als Nahrungsmittel
des Menschen bis ins 20. Jahrhundert beliebt. Durch Verschmutzung und
Verbau der Gewässer sind sie stark zurückgegangen. Wo durch
Regulierungen keine sandigen Sedimentbänke mehr vorkommen, oder
durch Aufstau kiesige Laichplätze verloren gegangen sind und
Sandbänke von Schlamm überdeckt werden, verschwinden auch die
Neunaugen. Hindernisse wie Querverbauungen können sie nicht
überwinden und auch so manche Fischaufstiegshilfen nicht
passieren.
Sollte der Ausbau von Wasserkraftwerken
und Querbauwerken vorangetrieben werden, ist zu befürchten, dass
sich der mancherorts inzwischen wieder gebesserte Erhaltungszustand
der Neunaugen wieder verschlechtern könnte.
V.i.S.d.P. Verband Deutscher
Sportfischer e.V., Offenbach, den 18.11.2011 Peter
Mohnert -Präsident-
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