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Baby wider Willen

Wenn, frau in der Hektik des Aussteigens,
vom bürgermeisterlichen Gatten schmählich auf dem Bahnsteig
alleine gelassen, die Henkel der falschen Reisetasche
erwischt. Wenn sich dann an den Henkeln keine Reise-
sondern eine Babytragetasche samt Inhalt baumelt, befindet
sich der Zuschauer hilflos inmitten der Zwerchfellattacken
der Kolpingsfamilie Iffezheim.
„Hans-Herrman, Kinder sind die
Karrierebremse“ bleute ein ums andere Mal die von Julia
Sauter herrlich überkandidelt gespielte „General Mutter“
ihrem bürgermeisterlichen Sohn und Landrat in
Lauerstellung (Matthias Schneider) ein. Und weil sein
Wille auch der Wille seiner ergebenen Gattin (Bianca
Schramm) war, stand den kinderlosen Träumen von
der großen Politik der, von der Bürgermeistersekretärin
Sonja (Victoria Gress) despektierlich „Gräfin Rotz von
der Backe“, genannten Bürgermeistermutter fast nichts
mehr im Wege. Fast!
Hans Himmelreich fiel aus allen
Wolken und Landratsträumen als seine Frau Christa zwar
um einige Pfund leichter, aber mit einem versehentlich
am Bahnhof aufgegriffenen Säugling bepackt, von der
Kur ins Rathaus zurück kam. Zaghafte Anfragen beim,
wegen Kindesentführung ermittelnden Leiter des Polizeireviers
Pius Schellenbrink (Andreas Zink), ob denn Verwechslung
zu mildernden Umständen führen könnten, verpufften ins
Leere, sah Schellenbrink die Entführung doch als sein
Sprungbrett in die Polizeidirektion, die er mit der
ganzen Härte des Gesetztes verfolgen wollte. Für das
Zurückbringen an den Zug war es zu spät. Guter Rat war
teuer für den Bürgermeister, der das „Baby wider Willen“
weder auf seinem Weg ins Landratsamt noch ins
Gefängnis brauchen konnte. Der gute Rat kam in Form
des Landstreichers Theo (Herbert Sauter auf den Leib
geschrieben), der im Tausch gegen bürgermeistermütterlichen
Chateau Neuf du Pape und Gänseleberpastete die
Polizei in die Irre führte. Ausgerechnet Landstreicher
Theo, das rote Tuch der von Manuela Schwab Wort und
Spruch gewaltig in Szene gesetzten Frieda Schäufele,
die „Alle g'here se eigsperrt !“ überall Sittenlosigkeit
und Verbrechen witternd, immer wieder mit Urgewalt ins
Bürgermeisterbüro brach.
Unter dem wissenden Gekicher der
Zuschauer wurde aus der bürgermeisterlichen „Karrierebremse“
bald ein zärtliches „Du“, die „Mama“ und „Papa“ auf
den Namen Lukas – nach dem Lokomotivführer – tauften.
Der ruhende Pol inmitten all des
Wirrwars bildete der „arbeitsame“ Gemeindearbeiter Peter
(ergötzend langsam Hermann Burkard), an dessen Besenstiel
sich während seiner Verschnaufpausen die Schnecken Wettrennen
lieferten. Seine Arbeitsscheu tat seinem Geschäftssinn
keinen Abbruch, als er die, vor einer Polizeikontrolle
weggeworfene Babyerstausstattung, zum doppelten Preis
an den Bürgermeister zurück verkaufte.
Doch alles Herzen und „Papi kommt
mit Schnulli – Schnulli“ machten vor der Erkenntnis
halt, daß das Kind zu seiner richtigen Mutter gehört.
Während der großen Demonstration, auf der „General Mutter“
ihre Abscheu gegen die verbrecherischen, herzlosen Kindesentführer
zum Ausdruck bringen wollte, sollte das öffentliche
Geständnis stattfinden und der Bürgermeister sich samt
Gattin dem Leben als Knacki statt Landrat hingeben.
Wäre da nicht Theo, der König der Landstraße, der schlitzohrig
die Geschichte vom Findelkind vor der Rathauspforte
inszenierte, und so dem Bürgermeister seinen Sessel
rettete. Da Komödien nie traurig enden, verflog des
Bürgermeisters Schmerz um den „verlorenen Sohn“ mit
der Nachricht, daß seine Gattin Christa Guter Hoffnung
war. Begeisterter Szenenapplaus, frohes Lachen und lang
anhaltender Schlußbeifall waren der Lohn für die Wochen
langen Proben.
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