Rauschendes Jubiläumskonzert
Während anderswo in der Region
Männerchöre, von Nachwuchssorgen geplagt, verstummen,
feierte der Männergesangverein Liederkranz Iffezheim
mit 600 Gästen ein rauschendes Jubiläumskonzert
in der BBAG-Halle. Der dynamische und homogene, aus
über sechs Dutzend Sängern bestehende Klangkörper ließ
in seinem 150ten Jahr keine Zweifel daran, daß er jung
geblieben ist und riß mit seiner ausgewogenen Mischung
aus alter und neuer Chorliteratur unter dem erfahrenen
und sicheren Dirigat von Herbert Szymanski die
Zuhörer zu Begeisterungsstürmen hin. Begleitet wurde
der Chor von den Leitern der Städtischen Schule für
Musik und Bildende Kunst in Bühl: Klaus Martin Kühn
am Flügel und Bernd Kölmel an den Percussions, sowie
von Dorothea Jügelt auf der Violine.

Mühelos hielt der Männergesangverein-Liederkranz
die in den Auftaktstücken „Sing mit mir“ (Milton Ager)
und „Wir machen Musik“ (Peter Igelhoff / Helmut Käutner)
enthaltende Versprechen und bot an diesem
Abend beste, mit bekannten Melodien durchsetzte, musikalische
Unterhaltung.
Eloquent
und sachkundig führte Moderator Hubert Müller in den
Opernblock ein, in dem zunächst Friedrich Smetanas „Chor
der Landleute“ aus „Die verkaufte Braut“ das Rund der
Auktionshalle füllte. Mit „Freude vertreibe die Nacht“
setzte der Männerchor einen gelungenen Schlußakkord
unter Giuseppe Verdis stimmungsvolles „Trinklied“ aus
„La Traviata“, in dem er die Liebe hochleben ließ.
Geräumig orchestral stimmte Klaus-Martin
Kühn am schwarz glänzenden „Schimmel“ den Bizetschen
Toreromarsch aus der Oper „Carmen“ an, dessen schwierige
Eingangspassage vom Chor souverän gemeistert wurde.
Im Fortissimo galoppierte der Chor akzentuiert dem von
den Zuhörern sehnsüchtig erwarteten Hauptthema des Stückes
(„Auf in den Kampf“) entgegen, das im Piano leichtfüßig
den Kehlen der Bässe entströmte, um im Fortissimo vom
Gesamtchor übernommen zu werden, welcher in fulminanten
Tempo unter der exakten Führung des musikalischen Leiters
Herbert Szymanski auf das prächtige Finale zusteuerte.
Mit dieser Operngala, die dem für einen Laienchor äußerst
brillanten Ersten Tenor dessen ganzes Können abverlangte,
unterstrich der Jubilar sein weit überdurchschnittliches
Können.
Eine
Verschnaufpause gönnten Dorothea Jügelt vom SWR-Sinfonieorchester
Baden-Baden/Freiburg (Violine) und Klaus-Martin
Kühn (Piano) dem Chor, als sie mit ihrem brillant und
feurig vorgetragenen „Czardas“ von Vittorio Monti das
andächtig lauschende Publikum in die ungarische Puszta
entführten. Mit der „Juliska aus Budapest“, dem Foxtrott
aus der „Maske in Blau“ (Fred Raymond), führten die
Sänger ihre Zuhörer weiter die Donau hinauf und leiteten
über in einen bunten Strauß von Otto Groll arrangierter
Melodien aus den Wiener Klangkonditoreien. Leicht und
beschwingt, mal schrammelnd, mal im Dreiviertel- oder
Marschtakt besangen die Herren des Männergesangverein-Liederkranz
Freude, Frohsinn, Tage voll Sonnenschein, um dann über
den blühenden Prater das Herz im „Weißen Röss'l“ zu
verlieren.

Nach der Pause empfingen die neun
Mitglieder des MGV-Liederkranz-Vokalensembles „Just
for Fun“ mit „Frisch gesungen“ (Friedrich Silcher) die
Besucher und verrieten bei „Ein Freund, ein guter Freund“
(Willy Parten) ihre unbändige Lust am Singen.
Mit
Ernest Golds „Exodus“ setzte der Gesamtchor mit Oskar-gekrönter
Filmmusik sein Programm fort. Dem sehnsuchtsvollen Epos
um die alte neue Heimat der Holocaust-Überlebenden im
Gelobten Land, dessen Baß-Solo-Auftakt das Stimmvolumen
der Baßstimmen in ungeahnte Höhen ausreizte, schloss
sich - beginnend mit tiefem Summen aus über sechs Dutzend
Männerkehlen - Vangelis Titelmusik zu „Conquest of Paradise“
(Vangelis) an, deren Kunstsprache von den Iffezheimer
Sängern sauber akzentuiert in bewegende Musik umgesetzt
wurde und die Zuhörer in ihren Bann schlug.
Mit
der deutschen Version des Spiritual „Climbin' up the
Mountain“, bei dem Klaus Martin Kühn am Piano sein Improvisationstalent
auslebte, eröffnete der Männergesangverein-Liederkranz
seinen Zyklus rhythmischer, nordamerikanischer Sakralmusik.
In „Jacob's Ladder“ (Bearbeitung Arnold Kempkens) spielte
der Chor à cappella souverän seine ganze dynamische
Bandbreite aus. Ein weiteres Glanzlicht in dem an Höhepunkten
wahrlich nicht armen Abend setzte der Männerchor mit
dem Gospel „Rock my Soul“ (Peter Brettner).
„Wochenend und Sonnenschein“ (Milton
Ager) und dazu einen Konzertabend des Männergesangverein-Liederkranzes
was braucht man mehr zum Glücklichsein? Die Rhythmusmaschine
des Zweiten Baßes forcierte bei diesem Evergreen aus
den Zwanziger Jahren die melodieführenden Stimmen und
führte mit Schwung und Elan in das Wochenende.
Der Schluß des offiziellen Teils
war zugleich schelmischer Höhepunkt: Eine von Chorleiter
Herbert Szymanski speziell für „seinen Männerchor“ bearbeitete,
parodistische à cappella Glanznummer, in welcher die
Sänger des Männergesangverein-Liederkranz augenzwinkernd
ihre Souveränität, ihre Coolness, ihre Omnipotenz besangen
und es in ihrem 150. Vereinsjahr auf den Punkt brachten:
„Männer mag man eben“ (Hans Unterweger). Daß man sie
dafür liebe, zeigten die lang anhaltenden stehenden
Ovationen der restlos begeisterten Zuhörer im ausverkauften
Rund der BBAG-Auktionshalle, deren Akustik von Seiten
der Gemeinde eigens für dieses Konzert mit Vorhängen
und Teppichböden optimiert wurde.

In den Zugaben zog der jung gebliebene
Chor nochmals alle Register seines Könnens und fesselte,
mit wechselnden Ostinati und in italienischer
Sprache gesungen, mit „Bènia Calastoria“ (Bepi de Marzi)
die Zuhörer, um dann nach „Conquest of Paradise“, „Rock
my Soul“ seine Konzertgäste nach nicht enden wollendem
Applaus in die Sommernacht zu entlassen.
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