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En arg schener Obend

„En arg schener Obend“ verbrachten
die zahlreichen Gäste des Fördervereins der Haupt- und
Realschule Iffezheim mit einem begnadeten Beobachter,
der auch noch die Kunst beherrscht, das Leben unprätentiös
und mit kraftvollem Dialekt zu schildern. Kongenial
wurde der Mundartdichter Harald Hurst von Hubert Müller
am Klavier begleitet; mit einer Musik „so sche, als
ob ma Nutella auf's Brot schmiert.“
Wahrlich
„aus dem Leben gegriffen“ waren die von Harald Hurst
präsentierten Stücke, die beim Zuhörer vom verständnisvollen
Lächeln bis zum kraftvollen Wiehern sämtliche Nuancen
des menschlichen Entzückens entlockten. Als Mundartdichter
führte er seine Zuhörer zunächst in den Begriff Heimat
ein. Heimat, sei da, wo „einem die Leidd vastehe“, wo
es „gmiedlich isch“. Zwar versuche der Deutsche sich
auch in südlichen Urlaubsgefilden „gmiedlich“ einzurichten,
da werden gleich Tische zusammengestellt, „gmiedlich
ebbs gedrunge“ bis sich die bleiklotzige Seele im rauschhaften
Gefühl von Heimat singend zum Lustgipfel emporschwingt
und er anfängt im Sitzen zu tanzen. Bei jedem teutonischen
„Bums-Fallera“ zuckten die Einheimischen verständnislos
zusammen. „Awa des Bums-Fallera muß ma au nedd vasteh,
's langd wenn man 's herd“. Schließlich überwiege doch
das Heim- das Fernweh und es ziehe einem dahin zurück,
wo man gut bürgerlich essen kann, wo's „gmiedlich isch“:
in d'Heimat, und „deß isch do, wu ma nedd uffald“.
Seine Lieblingsjahreszeit sei der Herbst,
bekannte Hurst. Da die Welt aussähe, als sei sie „in
d' Spühlwassabrieh gfalle“ brauche man keine Pläne
für's Wochenende schmieden. Nach einem Drei-Kannen-Kaffee-Frühstück
könne man ruhig und gelassen ins Bett zurückriechen
und all die Wiederholungen im Fernsehen anguggen, die
man eh' schon kenne. „Ä gmiedlich, gsunds und billigs
Lebe“, bis dann der Frühling wie eine Razzia einfalle
und "'s nauszus gehe" und Du wieder Pläne
für's Wochenende machen musst um „'raus an d'Luft z'geh“,
als ob man „daheim kei Luft hädd!“. Das "Mach
abba schnell, sonschd brauche ma nimme fort" der
Gattin halle noch durch die Wohnung, und schon wirst
Du von denen in Deinem trauten Heim überfallen, die
mit dem Pläne schmieden vor Dir fertig waren. Trotz
der jäh zu Ende gehenden Faulenzerei kann Harald Hurst
dem Frühling doch etwas abgewinnen: Es grüne und
blaue, der Spargel sprenge sich durch den Sand, von
den Frauen sähe man endlich auch mal wieder die unnere
Hälfd: „Du fühlst Dich wieder jung, blos nimme so schnell!“. Wie
so viele Badner braucht auch der bekennende Nicht-Schwabe
Hurst die Ostbadner, um zu definieren, was der Badner
nicht ist. Dem mentalen Kernsatz des Schwaben: „des
mus jetzt ned sei!“, setzte er sein: das Leben beginne
gerade da, „wo ma Sache machd, die nedd sei miesde“
entgegen. Und schon entführte er die Zuhörer in die
Fast-Großstadt Stuttgart, deren Einwohner getreu dem
Motto „Zeit ist Geld“ wie ein „schaffiger Ameisenhaufen“
herumirren. Er ließ die Zuhörer mitlauschen, an dieser
Sprache, die sich anhöre als sei „sei sie ä bissle 'zlong
im Mund rumgschlotzt worre“ und die auch den überkandidelsten
Spätzle-Yuppie mit Lederkoffer und Lackschiele wieder
Mensch, wieder Erich werden ließe. Obwohl er immer
wieder beteuerte, es sei unmöglich im Dialekt Liebesgedichte
zu verfassen, strafte er sich mit seiner „Schluplöchersproch“,
dem Dialekt, der so na an der Handlung sei, daß man
selbst beim Schreiben nicht still sitzen könne, Lügen
und setzte mit einem Auszug aus seinem Theaterstück
„Fuffzich“ an „eme arg schene Obend“ einem fulminaten
Schlußpunkt um's „frohsinnige Aufbäumen in nostalgischer
Extase“, um's „Neifeire“
Komm, geh fordd!
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